Moin,
sicherlich haben sich viele Leute hier gefragt, wieso der Upload des Vumm-Videos zu Silvester nicht erfolgt ist.
Nunja, das ganze hatte eben halt den Grund, dass meine über alles geliebte Mama, mit der ich 37 Jahre meines Leben zusammengelebt und auch gewohnt habe, am 31. Dezember mit einem zunächst leichten Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert worden ist.
Wir hatten am Morgen noch zusammen gefrühstückt, alles war wie immer. Dieses gemeinsame Frühstück am Wochenende, Rührei am Sonntag (mit viel Bacon, also Frühstücksspeck) und Abendessen waren so Rituale, auf die wir nie verzichtet haben.
Das Fondueset stand schon für abends auf dem Küchentisch und das Fleisch dafür lag auf der Herdplatte.
Meine Mama hatte vor einem Jahr wieder mit dem Reiten angefangen, nachdem sie eigentlich mit 30 damit aufgehört hatte und zum Tennis gewandert war, dem ich dann auch einige Jahre verfallen bin. Mit 65 ist sie dann wieder in den Sattel geklettert, hatte erst eine Reitbeteiligung, dann ein halbes Jahr später, hat sich sich einen eigens für sie angefertigten Sattel machen lassen und kurzerhand den Gaul gekauft.
Nebenbei hatte sie dann noch einen Hund (ne 12 Jahre alte Dalmatinerhündin, die auf den Namen Sara hört), ein grosses Haus (ca. 250 qm Wohnfläche), nen grossen Garten, ne vermietete Lagerhalle (ca. 800 qm, hinter dem Haus) und nen riesiges Grundstück (ca. 2000 qm) zu bewirtschaften und zu unterhalten. Zu guter Letzt komme dann ich noch als ewiger "kleiner Junge" dazu.
Egal, was ich machen und helfen wollte, man durfte es bei ihr nie. Sie hat immer alles selber gemacht, organisiert und sich nur ganz selten mal von jemandem helfen lassen.
Eine absolut starke und tolle Frau, die ich als meine Mama für den ganzen Rest meines Lebens über alle Maßen sehr vermissen werde und für die ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen möchte, stellvertretend für alle Menschen, die ihre Mütter oder andere geliebte und nahestehende Personen verloren habe, eine kleine Hommage und Ehrbezeugung hier im weltweiten Web zu hinterlassen.
Doch zurück zu den Umständen ihres dramatischen und urplötzlichen Todes.
Nach dem gemeinsamen Frühstück am Silvestermorgen machte sie sich gegen 10 Uhr fertig, um sich den Hund zu schnappen, zum Stall zu fahren und ein paar Runden mit ihrem Pferd zu drehen. Dabei fiel dem Reitstallbesitzer dann irgendwann eine leichte Schieflage auf. Er liess das Pferd sofort anhalten und brav wie gerade dieses Pferd ist, blieb es auch sofort stehen und er half ihr etwas mühselig aus dem Sattel heraus auf die Erde.
Sie war eigentlich bei Bewusstsein, konnte gehen, sprechen und auch sonst alles und beklagte sich halt nur darüber, dass sie keine Kraft im rechten Arm hätte und die Zügel nicht richtig halten könnte. Der Mundwinkel hing was runter und die Sprache war wohl etwas undeutlich.
Die Frau des Klausenwirtes vom Stall reagierte absolut richtig, weil sie durch einen Bekannten die Symptome für Schlaganfall kannte und informierte sofort den Notarzt, der ca. 7 Minuten später eintraf. Umgehend wurde sie nach Neuss ins Johanna-Etienne-Krankenhaus gebracht, da man dort besser als im Kreiskrankenhaus Dormagen für die Behandlung von Schlaganfallpatienten ausgerüstet ist.
Gegen 12 Uhr kommt der Nachbar die Treppe bei mir hoch und informiert mich darüber, dass "Mutter einen leichten Schlaganfall gehabt hat" und "ich mich sofort fertig machen müsste und ins Krankenhaus sollte".
Das hab ich mir natürlich nicht zweimal sagen lassen, alles stehen und liegen gelassen und bin losgedüst. Als ich dort ankam, hab ich in der Notaufnahme wie ein Blöder rumgestanden, weil gar keiner da war, hab sie dann aber hinter einer Tür rausrollen sehen und bin direkt hin. Habe mich dann als Sohn vorgestellt und gefragt, ob ich mit in den Schockraum reinkönnte.
Das durfte ich natürlich, musste mich aber ruhig auf einen Stuhl setzen und hab auch nicht mehr mit ihr gesprochen, weil sie nicht ansprechbar war, am Zittern wie Espenlaub und die Augen geschlossen hatte. So als wenn sie mehr oder weniger schon ohne Bewusstsein war.
Der Arzt in der Notaufnahme konfrontierte mich dann mit der Diagnose Schlaganfall und fragte mich nach irgendwelchen Krankheiten, Allergien oder Medikamenten. Bis auf Bluthochdruck, mit dem man ja sehr gut leben kann und einer verschleppten Bronchitis, an der man auch nicht gleich stirbt, hatte sie ja überhaupt nix.
Dann wurde sie nach der Untersuchung auf die Intensivstation verlegt und ich sass dann an ihrem Bett und hab gebangt, gehofft und geheult wie ein Schlosshund. Gottseidank lagen genug Papiertaschentücher auf dem Fenstersims, die immer weniger wurden.
Nach einer Stunde etwa fing sie an zu keuchen und bekam schwer Luft, der Überwachungskasten an der Wand fing zu piepen und zu blinken an, dass einem schlecht wurde. Kurz darauf stürmten zwei Schwestern und noch jemand in den Raum, baten mich, rauszugehen und ich schluchzte auf dem Flur weiter und bekam langsam vor Angst und Panik selber kaum noch Luft.
Ich dachte nur die ganze Zeit, was wird jetzt, was passiert hier. Was für ein schlechter Film läuft hier eigentlich ab ?
Nach etwa einer halben Stunde durfte ich wieder zu ihr ins Zimmer. Sie hatten ihr eine Sauerstoffmaske über den Mund gestülpt, an einen Schlauch angeschlossen, der zu einer Dose in die Wand führte, auf der logischerweise O2 stand. Da dachte ich mir eigentlich noch nichts schlimmes. Mit der Zeit wurde ich dann etwas ruhiger, weil eh nichts passierte und sass einfach nur so da und wartete. Wahrscheinlich darauf, dass doch etwas passierte.
Nach 2-3 Stunden ging die Tür auf, die gesammelte Manschaft kam herein und fing an in hektische Aufbruchsstimmung zu verfallen.
Man informierte mich, dass nach der ersten Computertomographie sie jetzt noch eine zweite machen wollten, um zu sehen, wie die ersten Stunden nach ihrem Schlaganfall jetzt verlaufen wären. Nachdem ich dann wusste, dass es nichts schlimmes war und man vielleicht in einer Stunde oder so vielleicht sogar eine gute Nachricht erzählt bekommen würde, entspannte ich mich etwas, ging draussen eine der vielen Zigaretten an diesem Nachmittag rauchen und dachte über viele Dinge nach.
Ich sah aus dem Innenhof heraus durch die Fenster, als sie irgendwann an mir vorbei in den Fahrstuhl geschoben wurde. Der Fahrstuhl zum Schafott, dachte ich noch scherzhaft, nichtsahnend, wie sehr sich dieser leicht sarkastische Gedanke in den nächsten Stunden als Wahrheit herausstellen würde.
Es verging eine endlos lange Zeit, als sich die Fahrstuhltüren wieder öffneten und man sie wieder zurück auf ihr Zimmer brachte. Eigentlich war es ein schöner Raum. Sofern man bei Krankenhäusern von schönen Räumen überhaupt sprechen kann. Aber es war heimelig warm, an der Decke hing ein Fernseher, er war klein, ein Einzelzimmer, mit einem schönen Blick aus dem Fenster in den naheliegenden Park. Aber da es mittlerweile dunkel wurde, ich mit den Nerven am Ende und ich hundemüde war, erkundigte ich mich bei der Schwester, ob ich vielleicht ein paar Stunden nach Hause könnte. Im Moment wäre ihr Zustand stabil und man könnte eh nur abwarten. Die Telefonnummern hatte ich ja hinterlassen und man würde mich sofort anrufen, wenn sich etwas ändern würde.
So verliess ich dann die Intensivstation, ging über den Flur Richtung Ausgang, machte einen Abstecher in den Innenhof, um dort noch eine weitere Zigarette zu qualmen, als mir der Arzt aus der Notaufnahme entgegenkam (Hr. Dr. Hirt oder Hirtz). Gut, dass ich sie noch treffe, meinte er zu mir. "Ich habe zwar überhaupt keine Zeit, aber ich denke, ich nehme mir ein paar Minuten". Dann gingen wir zusammen durch die Tür auf den Innenhof und setzten uns auf die Plastikstühlchen.
Hm, meinte er und legte eine Pause ein. Dann erzählte er mir vom Untersuchungsergebnis der 2. CT, dass es wohl eine massive Hirnblutung bzw. wohl Hirnschlag gegeben hat, bzw. die Blutung grösser geworden wäre. Ich hab in dem Moment nicht alles verstanden oder kapiert, nur halt soviel, dass man mir gerade keine wirklich guten Nachrichten erzählte. Er sprach dann weiter und so langsam hörte ich seine Stimme nur noch aus der Ferne, als wenn jemand sich eine Wolldecke in den Mund gestopft hätte, die sagte, dass meine Mama, wenn sie das überhaupt überleben würde, ein Schwerstpflegefall werden würde und ich damit rechnen sollte, dass sie sehr wahrscheinlich sterben würde und er mir nichts vormachen möchte.
"Rechnen Sie damit, dass sie sterben wird. Sie liegt im Koma und wir mussten sie an das Beatmungsgerät anschliessen. Ihr Zustand ist im Augenblick einigermassen stabil aber wir können nichts weiter tun, als abwarten". Ob es denn wirklich so ernst sei. "Ja, es ist so ernst. Es tut mir leid".
Es ist schon schlimm, wenn einen solche Nachrichten überbracht werden. Aber bei diesem Arzt hatte ich neben seiner professionellen Distanz das Gespür für aufrichtige Anteilnahme und dem Willen, dass es ihm wichtig sei, mir lieber die Wahrheit zu sagen, als mir einen vorzumunkeln, dass noch irgendwas passieren würde, was Mama auf einmal wieder fragen lassen würde, wo bin ich hier, was ist passiert ?
Ich wusste in diesem Moment, dass dieser Augenblick nie mehr kommen würde und dass der liebe Gott oder ein anderes übermächtiges Wesen, dass über das Universum entscheidet und dessen Geschicke lenkt. Irgendwie war mir klar, dass meine Mama den Kampf gegen den Tod bereits aufgenommen und ihn verlieren würde.
Am 5. Januar 2006, gegen 11.30 hat sie ihn verloren. Sie wurde nur 66 Jahre alt. Heute sicherlich kein Alter und wenn man an diesen deutschen Schlager von Udo Jürgens denkt, dass mit 66 Jahren das Leben erst anfängt, hatte sie irgendwie nicht mehr wirklich viel davon.
Wenn ich noch ein wenig hier weiterschreiben darf, würde ich das gerne tun. Ich weiss, dass es nicht hierhergehört und dass ich sehr emotional und offen über eigentlich eine sehr private Geschichte spreche. Aber wenn es niemanden stört und den ein oder anderen mal ein solcher Leidensweg interessiert, würde ich ab und an vielleicht wieder etwas hier schreiben wollen.
Zunächst ging es allerdings mal darum, endlich die Begründung dafür loszuwerden, wieso das VUMM-Video wieder ausgefallen ist. Aber ich denke, selbst Mr. BadBoy wird heute mal auf seine geliebten, sarkastischen Bemerkungen verzichten.
So, das war es für's erste
Greets Olaf
P.S.: Naja, schönen Sonntag wäre ein wenig blöd zu wünschen Aber trotzdem.